Streuobstwiesen in Polen

In Polen reicht die Geschichte der Streuobstwiesen bis ins elfte Jahrhundert zurück. Zu diesem Zeitpunkt besiedelten Benediktinische Mönche Polen und brachten ursprüngliche Sorten von Obstbäumen mit sich. Das Benediktinkerkloster von Tyniec (in der Nähe von Krakau in Südpolen) entwickelte sich zu einem Zentrum der Landwirtschaft. Sein Abt, auch als "Abt der hundert Dörfer" bezeichnet, besaß sehr viel Land, auf dem Ordensgeistliche Apfel- und Birnbäume gepflanzt hatten, welche sich von dort über Masowien und Preussen (Mittel- und Nordpolen) ausbreiteten.

Schon bald wurden auch in Klöstern anderer Orden, Schlössern, auf Landsitzen und Bauernhöfen Gärten mit Obstbäumen angelegt. Durch das verstärkte Anpflanzen ursprünglicher (hochstämmiger) Obstsorten in Haus- und Hofgärten wird das polnische Landschaftsbild nachhaltig geprägt. Insbesondere im 18. und 19., teilweise auch im 20. Jahrhundert wurde ihre Bearbeitung verbessert. Blühende Obstbäume sind in jener Zeit kennzeichnend für das polnische Landschaftsbild. Die Obstverarbeitung bestimmte in weiten Grenzen die Ess- und Kochgewohnheiten.

Gewerbliche Obstgärten mit neuen Sorten

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ist durch das Aufkommen des gewerblichen Obstbaus mit aus den U.S.A. importierten Sorten gekennzeichnet. Durch den Zugang zu neuen Sorten und angeregt durch die Gesetzgebung, holzten viele Landwirte die alten Streuobstwiesen ab, um sie durch enger stehende, halbhoch wachsende und für Krankheiten anfällige Sorten zu ersetzen.

Dem folgend gibt es heutzutage in Polen zwei Varianten von Streuobstwiesen: Vor 1950 entstandene, mit Sorten aus dem 18. und 19. Jahrhundert (deren Früchte nur selten von Krankheiten betroffen sind) und solche, die erst seit den 1960er Jahren angebaut werden.

In den 70ern wurden, angeschlossen an wissenschaftliche Institute, zahlreiche Genbanken für alte Sorten angelegt: Das Arboretum in Bolestraszyce (Südpolen), das Institut für Streuobstwiesen und Blumen in Skierniewice (Mittelpolen), der Botanische Garten der polnischen Akademie der Wissenschaften in Powsin bei Warschau.

Initiativen von Nichtregierungsorganisationen und Umweltschützern zum Schutz und zur Förderung alter Sorten gibt es erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Viele Projekte liefen in ganz Polen. Sie stellen die Bedeutung von Streuobstwiesen für das Ökosystem heraus und unterweisen Landwirte in der Bestellung alter Streuobstwiesen und der Anlage neuer Streuobstwiesen unter Verwendung alter Sorten. Darüber hinaus wurden Baumschulen mit alten Sorten und regionalem Sortiment gegründet und man besann sich zunehmend auf alte Verarbeitungsmethoden.

Pomologen haben eine Modell-Streuobstwiese entwickelt, die sich auf mehrere Dutzend alter (hochstämmiger) Sorten (unterschiedlicher Varietäten), in großem Abstand gepflanzt, und mit nahezu natürlichen Baumkronen stützt. Besitzer solcher Streuobstwiesen können im Rahmen ökolandwirtschaftlicher Programme Förderung für ihre Erhaltung beantragen (Programm 6.4.: 500 EUR/ha/Jahr).

Nach den Plänen des Agrarministeriums  werden bis 2013 mehr als 25.000 Streuobstwiesen, welche jedoch nur einen Bruchteil aller bestehenden Streuobstwiesen Polens ausmachen, diese finanzielle Unterstützung erhalten. Seit etwa zehn Jahren ist es gesetzlich erlaubt, ehemals angebaute Sorten zu reproduzieren. Dem Ausbau weiterer Flächen zu Streuobstwiesen stehen jedoch ein mangelhaftes Wissen über Anbau und Pflege alter Sorten, wie auch gesetzliche Vorschriften für die Verarbeitung vor Ort entschieden entgegen.

Gestiegenes Interesse an alten Sorten

In jüngster Zeit hat die Arbeit wissenschaftlicher Institute und Nichtregierungsorganisationen ein gestiegenes Interesses an der Pflanzung alter Sorten gefördert. Auf Seiten der Konsumenten hat eine gestiegenes Interesse an Aspekten der Gesundheit eine gestiegene Nachfrage nach Produkten dieser Sorten hervorgebracht. Für polnische Marmeladen-, Kompott- oder Spirituosenrezepte sind die Früchte alter Sorten unersetzlich. Darüber hinaus zeichnen sich neue Trends ab: Dort wo das ökologische Bewusstsein ausgeprägter ist, entstehen Streuobstwiesen: Auf Höfen, die Agrartourismus anbieten, auf ökologischen Höfen, auf Höfen, die von Menschen erworben wurden, welche ihre Verbundenheit zur Landschaft dadurch ausdrücken, dass sie aufs Land ziehen. Die Tradition der Streuobstwiese beim Bauernhaus ist immer noch eine lebendige. Wenn Bezeichnungen wie " Kosztela" (ein Apfel, den die berühmte Königin Marysieńka liebte) fallen, erinnern sich die Menschen an den einzigartigen Geruch und den Geschmack eines alten polnischen Apfels.

Bedingt durch die Struktur seiner Landwirtschaft verfügt der ländliche Raum Polens über eine reichhaltige Artenvielfalt und könnte erneut zur wichtigen Einnahmequelle für polnische Landwirte und regionale Produzenten werden.