Streuobstwiesen in Österreich
Obstnutzung ist in Österreich seit der Jungsteinzeit nachweisbar, edle Obstsorten wurden bereits von den Römern eingeführt (Beginn des 1. Jahrtausends n. Chr.). Nach einer Phase des Niedergangs erfolgte ein neuerlicher Aufschwung Ende des 8. Jh. mit dem „Capitulare de villis“ Karls des Großen, in dem bereits Obstsorten benannt wurden, die von der Bevölkerung gepflanzt werden sollten – hier ist vermutlich der Beginn eines geordneten Obstbaues anzusetzen. Der Obstbau im Mittelalter wurde von Mönchen, Rittern und reichen Bürgern getragen, die Obstsorten aus Frankreich und Italien einführten. Die klassisch Pomologie und mit ihr die Obstsortenvielfalt erreichte in Österreich ihren Höhepunkt zwischen Ende des 18. und Ende des 19. Jh. – es wurden überwiegend großkronige Bäume gezogen und zahlreiche Obstbauschulen entstanden.
Mit Ende des 19. Jh. wurde die mittlerweile unüberschaubare und kaum mehr vermarktbare Vielfalt auf regionale Normalsortimente reduziert – damit begann der Niedergang der Sortenvielfalt, der jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Umstellung auf Plantagenobstbau und massiven Rodungsaktionen in den 1960er Jahren endgültig vollzogen wurde.
Titelseite des Landes-Normal-Sortiments der Steiermark 1904. Titelseite des Pomologischen Kataloges der Reichs-Obst-Ausstellung 1888.
Streuobst kommt in allen österreichischen Bundesländern bis in Höhenlagen um 1.000 m vor, die größten Bestände liegen in Ober- und Niederösterreich, Kärnten und der Steiermark. Nach Schätzungen liegt der Bestand an Streuobstbäumen in Österreich derzeit bei rund 4,5 Mio. – ein Rückgang um nahezu 90 % seit dem Höchststand von rund 33 Mio. Bäumen Ende der 1950er Jahre. Allein zwischen den Obstbaumzählungen 1967 und 1988 halbierte sich der Bestand auf rund 12,5 Mio. Bäume.
Streuobstbestände (rot) bei Pöllau (Steiermark). Links: Luftbild 1960. Rechts: Luftbild 1992 mit Einträgen aus 2003.
Streuobstwiesenbestand südöstlich Pöllau
Veränderung der Streuobstfläche und Baumanzahl im Bildausschnitt in der Zeit von 1960 bis 2003. Bildausschnitt 54,241 ha.
Anzahl der Obstbäume | 1.280 | 337 | 73,67 | 943 |
Jahr 1960 | Jahr 2003 | Rückgang in Prozent | Verlust der Bäume in Stückzahl | |
Gebiet in Hektar | 15,443 | 4,145 | 73,18 | - |
Hauptursachen für den Bestandsrückgang sind der landwirtschaftliche Strukturwandel, der eine Spezialisierung der Betriebe und die Umstellung des Obstbaues auf Plantagen mit sich brachte und eine immer stärkere Tendenz zur maschinellen Bewirtschaftung. Durch diese Faktoren und einen Preisverfall für Streuobst wurden viele Bäume nicht mehr gepflegt und nachgepflanzt bzw. auch gerodet. Diese Tendenz wurde mit dem Auftreten des Feuerbrandes in den 2000er Jahren noch verstärkt. Die Streuobstbestände verlagern sich zunehmend von der freien Landschaft in die Haus- und Hofumfelder– nur noch 60 % der Streuobstbäume stehen derzeit auf landwirtschaftlichen Nutzflächen.
In den vergangenen Jahren haben sich jedoch auch gegenläufige Entwicklungen gezeigt: Mit der Herstellung hochwertiger Produkte aus Streuobst (Säfte, Most, Schnaps, Trockenfrüchte, …) und geeigneten Maßnahmen der Vermarkung und des Gebietsschutzes können auch aus Streuobst wieder vermehrt Erträge erwirtschaftet werden (z.B. Pöllauer Hirschbirne, Mostviertler Birnenmost, …). Die Bestände werden wieder vermehrt bewirtschaftet, gepflegt und ergänzt. Dennoch sind sie überaltert und ein Fortbestand der geschätzten 3.000 Obstsorten in Österreich ist längst nicht gesichert. Trotz des Rückganges stammt der Großteil der österreichischen Obstproduktion immer noch aus Streuobstbeständen. Einzelne Studien weisen bereits auf eine neuerliche (zumindest lokale) geringfügige Zunahme der Streuobstbestände hin. Dies dürfte teilweise mit Förderungen für die Erhaltung und Pflege von Streuobstbeständen im österreichischen Agrarumweltprogramm (ÖPUL) zusammenhängen.
Einzelne Bundesländer haben eigene Modelle zur Förderung von Streuobstwiesen entwickelt. Für die Zukunft braucht es weiterhin deutliche Anstrengungen und innovative Ansätze, um den Streuobstbau in Österreich zu erhalten und weiter zu entwickeln.