Vergangenheit und Gegenwart der Streuobstwiesen in Frankreich: Zwischen Familienproduktion und Einführung von Produkten mit geschützter Herkunftsbezeichnung
Während des Höhepunkts der Streuobstwiesenbewirtschaftung verfügte Frankreich mit einer Million Hektar über die extensivste Streuobstwiesenbewirtschaftung in ganz Europa; heute sind es 146.000 Hektar. Die landwirtschaftliche Erhebung von 1929 (Siehe Tabelle 1) vermittelt eine Vorstellung davon, welche Flächen ehemals von Streuobstwiesen eingenommen waren: 100 Millionen Apfel- und Birnbäume.
Daten aus der landwirtschaftlichen Strukturerhebung 1929 mit Bezug auf alte Obstbäume
Art | Anzahl von Bäumen in Millionen | Ernteergebnis |
Apfelbäume Birnbäume (für Obstwein) | 59 (6% davon Birnbäume) | Vier Millionen Tonnen, davon 54% für den Eigenbedarf, 23 Millions Hektoliter Obstwein aus 358.000 Mostereien |
Andere alte Obstbäume | 51 (davon 42% Apfel und Birne) | 950.000 Tonnen, davon 49% für den Eigenbedarf |
Die landwirtschaftliche Erhebung von 1929 vermittelt einen Eindruck über die ehemals von Streuobstwiesen bedeckten Flächen: 100 Millionen Apfel- und Birnbäume (siehe Tabelle).
Trotz des rasanten Rückgangs während des Zeitraums der landwirtschaftlichen Intensivierung (1960 – 1990) spielen Apfelgärten in manchen Zuchtbereichen noch immer eine zentrale Rolle, z.B. in der Basse-Normandie.
Der Anteil des Eigenbedarfs, der 1929 fast die Hälfte des Anbaus von Cidre-Äpfeln und Birnen umfasste, ist mit 51% (2008) für Cidre nach wie vor hoch. Auch wenn der wirtschaftliche Nutzen dieses Anbaus stark zurück gegangen ist, werden mit Cidre und Calvados dank geschützter Herkunftsbezeichnungen noch immer 260 Millionen € umgesetzt. (Cidre, Poiré, Calvados, Pommeau, Kirsch)
2002: 146.000 Hektar mit fünf Millionen Bäumen
Zwischen 1960 und 2000 ist die Anzahl der Streuobstwiesen stark zurück gegangen; etwa 85% der Anbaufläche ist verloren gegangen. 2002 nahmen die französischen Streuobstwiesen etwa 146.000 Hektar mit fünf Millionen Bäumen ein, was einer Fläche von 0,5% der als Landwirtschaftsflächen ausgewiesenen Flächen entspricht. In der Normandie produzieren noch immer 11.000 Höfe Äpfel für die Herstellung von Cidre.
Nur 340.000 Tonnen Äpfel werden für die Herstellung von 1.260.000 Hektoliter Cidre (Entspricht 2 Liter/Jahr/Einwohner, davon 1 Liter Eigenkonsum) und 18.500 Hektoliter Calvados (14 Liter Cidre für 1 Liter 70%igen Alkohol), geerntet. Die Produktion von Cidre unter geschützter Herkunftsbezeichnung stellt mit 110.000 Hektolitern 17% des vermarkteten Cidres dar. Die Produktion von Apfelsaft fällt sehr gering aus.
Direktvermarktung ist von wirtschaftlichem Interesse
Heutzutage bestehen die Streuobstwiesen, welche sich zu 70% in der Normandie befinden, hauptsächlich aus Cidre-tauglichen Sorten. (90% Äpfel, 10 % Birnen); aber es ist immer noch möglich, im Elsass oder Loiretal Pflaumengärten oder in Fougerolles Kirschgärten für die Produktion von "Kirsch" zu finden. Des weiteren gibt es auch noch einige Streuobstwiesen in den Gebirgsregionen. Die Produktion von Produkten geschützter Herkunftsbezeichnung ist am besten in der Normandie, der Bretagne, sowie Sarthe und Mayenne entwickelt, wobei Streuobstwiesen inzwischen besser in die Regelwerke geschützter Herkunftsbezeichnungen eingebunden sind. (Mindestens ein Hektar und 50 % von Streuobstwiesen). Die Verarbeitung auf dem Hof sowie Direktvermarktung sind von wirtschaftlichem Interesse. Bioprodukte, wie z.B. Apfelsaft müssen noch entwickelt werden.
Streuobstwiesen sind Rückzugsgebiete für gefährdete Tier- und Pflanzenarten und werden vor allem aufgrund ihrer ökologischen Funktion sowie aufgrund ihrer prägenden Rolle in der Kulturlandschaft geschätzt. Im Elsass wurden bei Vögeln 35 Brutarten gezählt, von denen zehn ausschließlich auf Streuobstwiesen vorkommen. Die Hälfte dieser Vögel sind Höhlennister, wie z.B. der Schiefhals, der Wiedehopf, der Grünspecht, der Feldsperling, der Star oder die Meise. Die Pflaumegärten von Franche-Comté sind dicht besiedelte Heimat von Schiefhals und Gartenrotschwanz. Dort wurden 41 Vogelarten gezählt. Insgesamt wurden auf Frankreichs Streuobstwiesen 75 Vogelarten beobachtet. Im Vergleich zwischen Streuobstwiese und intensiv bewirtschafteter Obstplantage in der Normandie wurde festgestellt, dass auf Streuobstwiesen 58 Arten, auf Plantagen dagegen nur 25 Arten vorkommen.
Nachhaltige Landwirtschaft
Die französische Landwirtschaft profitiert von den Streuobstwiesen, da diese zur Landschaftsvielfalt beitragen und deren Besonderheit darstellen.
Streuobstwiesen sind der Archetyp der nachhaltigen Landwirtschaft: Minimaler Eingriff und geringe Belastung der Umwelt bei gleichzeitiger Ausbringung hochqualitativer Produkte. Die natürlichen Vorzüge dieses Systems finden heutzutage in der Umsetzung von EU Regelwerken und ökolandwirtschaftlichen Maßnahmen und damit einhergehenden Zahlungen Berücksichtigung. Streuobstwiesen finden Anerkennung in der ökologischen Infrastruktur (Prämienzahlungen, Umweltzertifizierungen, Umweltnetzwerke) und tragen zu einer Wertsteigerung der Agrarflächen bei. Dank ihres landschaftsgestalterischen Werts werden sie eingesetzt, landwirtschaftliche Produkte und sogar die Normandie an sich "zu verkaufen".
Die Zukunft der Streuobstwiesen hängt vor allem vom Grad des Konsums ihrer Produkte ab. Daher sollte die Konsumförderung von Apfelsaft und Cidre bei jüngeren Generationen Priorität genießen.